Albert-Gottheiner-Straße

Albert Gottheiner (24.09.1878 – 13.01.1947) - Architekt und Ingenieur besonders für Wasserwerks- und Sozialbauten. Entwurf und Bauleitung für Wasserturm und Wasserwerk in Hohen Neuendorf.

Albert Gottheiner war ein Sohn des Modelleurs und Bildhauers Adolph Gottheiner und dessen Ehefrau Fanny, geb. Nathan. Er war ein Neffe des Maurermeisters und Bauunternehmers Julius Gottheiner und folglich ein Vetter von dessen Sohn Alfred Gottheiner (1874–1940), mit dem er in der baugeschichtlichen Literatur wohl mehrfach verwechselt wurde.

Albert Gottheiner war zweimal verheiratet. Die erste Ehe mit Emma Martha Johanna Bähr, geschlossen am 21. Juli 1900, wurde 1911 geschieden. Nachkommen ihres gemeinsamen Sohnes Fritz leben heute in Calau (Niederlausitz). Die zweite Ehe ging Albert Gottheiner 1916 mit Frieda Gertrud Helene Wagner ein.

Albert Gottheiner machte sich 1909 in Berlin selbstständig und war zunächst in Wilmersdorf ansässig. In den ersten Jahren arbeitete er vor allem an Projekten im Wasserversorgungs- und Kanalisationsbau. So entstand nach seinen Entwürfen 1912 der Wasserturm in Röbel (Mecklenburg) als erstes Stahlbetonbauwerk in Norddeutschland.

In Hohen Neuendorf war Albert Gottheiner schon 1911 am zweiten Bauabschnitt des Schulbaus nebst Turnhalle beteiligt. Seine Adresse als Architekt und Ingenieur für Entwurf und Bauleitung von Hoch- und Tiefbauten war nun am Bahnhof Waidmannslust. Im Sommer 1912 schloss die Gemeinde Hohen Neuendorf mit ihm Verträge zu Bauplanung und Bauleitung für Wasserwerk und Wasserturm. Das Wasserwerk entstand nur wenige 100 Meter vom Birkenwerderer Werk und griff auf dieselben wasserführenden Schichten zu. Bauschein No 188 für das Wasserwerk trägt das Datum 28.9.1912, der Bau begann unmittelbar danach. Am 28. Dezember stürzte bei einem Wintersturm die neu gemauerte Giebelwand ein. Bis zum 29. Januar 1913 war sie wieder aufgebaut. In einem Gerichtsprozess wurde Gottheiner von einer Mitschuld an dem Unglück freigesprochen. Der Hohen Neuendorfer Kommunalpolitiker Albert Kirschke äußerte viel später hierzu antisemitische Anschuldigungen mit der Behauptung, dass „der Jude Gottheiner“ schuld gewesen sei. Wasserwerk und Wasserturm wurden am 9. Mai 1914 eingeweiht. Die Versorgung der Gemeinde war damit sichergestellt.

Besonders der Wasserturm ist ein Zeugnis der besonderen Fähigkeiten Gottheiners als Architekt und Ingenieur. Als Bauwerk des Spätjugendstils ist er anspruchsvoll gestaltet. Nach dem Röbeler Turm entstand hier ein weiterer früher Vertreter eines in Stahlbetonbauweise hergestellten Wasserturms. Er ist damit auch von baugeschichtlichem Interesse und steht unter Denkmalschutz. Mit seiner unverwechselbaren Gestalt ist er ein ortsbildprägendes Wahrzeichen und wichtiger Bestandteil der Silhouette von Hohen Neuendorf.

Zwischen Gottheiner und der Gemeindeverwaltung gab es enge Arbeitsbeziehungen. Von ihm wurde daher auch eine Erweiterung des Gaswerkes geplant. Der Gasbehälter sollte von 2.000 auf 4.000 m³ variabel gestaltet werden. Das Projekt wurde jedoch nicht ausgeführt. Während des Weltkrieges war er zeitweise Gasmeister in Hohen Neuendorf.

In den 1920er Jahren war Gottheiner meist am Bau und Umbau von Krankenhäusern und Kureinrichtungen tätig, so in Berlin-Lankwitz, Buckow, Lüneburg, Berlin-Charlottenburg, Oberschreiberhau und Krummhübel im Riesengebirge. Hier handelte es sich vorwiegend um Auftragsarbeiten von Krankenkassen.

Das bedeutendste und bekannteste Werk von Albert Gottheiner, das auch in den Architekturführern erwähnt wird, ist das denkmalgeschützte Gebäude an der Rungestraße 3-6 in Berlin, das 1931 bis 1933 als Verwaltungsgebäude für die AOK errichtet wurde - ein sechsgeschossiger Stahlskelettbau, blau-rot geklinkert, mit Terrakottafiguren neben dem Hauptportal. Das Haus wurde um 1950 in Stand gesetzt und bis 1990 von der Parteihochschule der SED "Karl Marx" sowie der Bezirksparteischule "Friedrich Engels" genutzt. Seit 2014 wird umgebaut, erweitert und ausgebaut. Es entstehen über 205 hochpreisige Eigentumswohnungen für Berliner und internationale Investoren und Eigennutzer. Die Kaufpreise sind bis 8000 Euro/m² kalkuliert.

Kurze Zeit nach der Fertigstellung seines Hauptwerkes 1933 emigrierte der als Jude und Sozialdemokrat Bedrohte mit seiner Frau und der gemeinsamen Tochter Eva über Dänemark nach Schweden.1935 wurde er ins Steckbriefregister eingetragen und zu einer hohen Reichsfluchtsteuer verpflichtet.1939 wurde ihm die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt.

Erkenntnisfördernde Kontakte konnte der Geschichtskreis sowohl zu den Calauer Nachkommen Albert Gottheiners aus der ersten Ehe wie auch zu Tochter Eva in Stockholm aus der zweiten Ehe herstellen. Erst dadurch wurden diese übrigens miteinander bekannt.

Albert Gottheiner starb 1947 in Stockholm.

Wer mehr wissen will: geschichtskreis@kulturkreis-hn.de