Bodelschwinghstraße
Gustav von Bodelschwingh (3.11.1872 - 26.02.1944) evangelischer Pfarrer und Missionar, Sozialpolitiker, Siedlungspolitiker
Gustav von Bodelschwingh gehörte dem Adelsgeschlecht Bodelschwingh an. Sein Vater war der Pastor und Leiter der von Bodelschwinghschen Anstalten Bethel, Friedrich von Bodelschwingh.
Nach dem Abitur am Evangelischen Gymnasium Gütersloh studierte Gustav ab 1892 Evangelische Theologie in Greifswald, Berlin und Basel. Anschließend war er Hilfsprediger bei seinem Vater in Bethel und ab 1901 Pfarrer in Dünne. Dort gründete er 1907 die „Heimstätte Dünne“, eine evangelische Bau- und Siedlungsgesellschaft. 1909 wechselte er noch einmal in die Anstalten in Bethel. 1910 wurde er Leiter der Betheler Zweiganstalt Freistatt im Kreis Sulingen. Von 1912 bis 1918 war er in der Bethel-Mission in Ostafrika tätig. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs arbeitete er dort in Lazaretten der deutschen Truppen und geriet dann in Kriegsgefangenschaft.
Nach dem Krieg wirkte Bodelschwingh zunächst wieder in Bethel, bis er 1920 Pfarrer in Ahle bei Bünde wurde. 1923 ließ er sich vorzeitig pensionieren und zog mit seiner Familie wieder nach Dünne. Bis zu seinem Tode widmete er sich Siedlungsprojekten. Mit Hilfe des Vereins „Heimstätte Dünne“ entstanden unter seiner Leitung mehr als 300 Häuser, überwiegend in der Lehmbauweise, die er in Ostafrika kennengelernt hatte. Damit kam er einem Bedürfnis gerade von Arbeitern nach, die das Mietskasernendasein hinter sich lassen wollten. Zugleich handelte er mit dem von ihm entwickelten Konzept im konservativen, systemstabilisierenden Interesse. Bescheidenes Besitztum wirkte aus seiner Sicht nämlich als „hemmender Faktor für revolutionäre Kampfeslust“. Gegen das Aufbegehren der Arbeiterschaft müsse man unter dem Motto „Eigener Herd auf eigener Scholle“ bescheidenes, breit gestreutes Eigentum stellen, Arbeiterhäuschen vor allem auf dem Lande errichten und somit den Eigentümern längere Wege zur industriellen Arbeitsstätte zumuten: „Wer sich auf dem Heimweg von der Arbeit müde läuft, rennt abends nicht noch einmal zu Demonstrationen oder Parteiversammlungen in die Stadt“. In der Weimarer Zeit war noch jede politische Betätigung in der Heimstätte streng untersagt. Als aber die NSDAP, vom Leiter schon lange herbeigesehnt, die Macht übernahm, ließ dieser sogleich die Hakenkreuzfahne aufziehen. Seine Mitarbeiter durften nun Parteiabzeichen und auch SA-Uniformen tragen, Hitlerjungen und SA das inzwischen errichtete Heimathaus nutzen. Über seine eigene Teilnahme am NSDAP-Reichsparteitag in Nürnberg berichtete er umfangreich und enthusiastisch. Insgesamt war er ein aktiver Parteigänger des Nazi-Regimes, auch mit seinen antisemitischen Einstellungen und Aktivitäten.
Siedlungspolitisch wurde Gustav von Bodelschwingh weit über die Region um Bethel hinaus tätig, unternahm hierfür viele Reisen, oft begleitet von seiner Tochter Adelheid. Er besuchte zum Richtfest des ersten Bauabschnitts der Osramsiedlung am 8. Dezember 1934 auch Hohen Neuendorf und wurde hier als „Vorkämpfer für das Siedlungswesen“ begrüßt. Sein Konzept hatte sich als eine geeignete Grundlage für NS-Siedlungspolitik erwiesen, wie sie hier vom Osramkonzern realisiert wurde. Die Osramsiedlung wurde für ausgesuchte „Gefolgschaftsmitglieder“ des Konzerns mit einfachen Häuschen auf großen Grundstücken errichtet, die dem Anbau von Gartenprodukten und der Kleintierhaltung dienten. Der Konzern dankte dem NS-Bürgermeister von Hohen Neuendorf für die Benennung der Bodelschwinghstraße in seiner Siedlung.
Gustav von Bodelschwingh bemühte sich auch darum, die evangelische Kirche im Sinne des Nationalsozialismus umzugestalten. 1936 gründete er in Dünne mit Unterstützung des NS-dominierten Evangelischen Oberkirchenrats ein Predigerseminar / Sammelvikariat, das in Konkurrenz zur Bekennenden Kirche stand. Fernziel war eine „entjudete“ nationale großdeutsche Kirche, in der auch die katholische Kirche mittels Führer-Machtwort aufgehen sollte. Dabei ging es um eine deutsche Einheitskirche als feste und konstruktiven Bestandteil der arischen Volksgemeinschaft. Von den Vikaren wurde zunächst ausdrücklich eine aktive Mitgliedschaft in der SA oder der SS erwartet und daneben die Bereitschaft, sich mit Ackerbau und Viehzucht vertraut zu machen, um später durch Milieu- und Volksnähe zu einer allumfassenden Seelsorge befähigt zu sein.
1937 zog Gustav von Bodelschwingh er nach Oberbauerschaft am Wiehengebirge. Im Mai 1939 ging er nach Berlin, um in der Reichshauptstadt für seine Siedlungspläne im sogenannten Warthegau zu werben. Schon vor dem II. Weltkrieg hatte Bodelschwingh Landwirtschaftsminister Darré und Außenminister Ribbentrop dafür gewonnen, die in Dünne und Freistatt gemachten Erfahrungen bei der Besiedlung des noch zu erobernden Ostraumes einzubringen. SS-Freiwilligen wurden dort „Wehrbauern“-Höfe offeriert.
1942 kehrte er nach Oberbauerschaft zurück. Er starb 1944 an den Folgen einer Blasenoperation im Krankenhaus Gilead in Bethel und wurde in einem Familiengrab in Oberbauerschaft bestattet.
In Bünde-Dünne ist wurde im Stadtrat über eine Umbenennung der nach ihm benannten Straße wegen Bodelschwinghs Verbindungen zum Naziregime diskutiert. Sie wurde aber im Jahr 2021 nicht beschlossen.
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