Siegelstraße

Dr. med. John Siegel (geboren 1861 – Sterbedatum unbekannt) Philosoph, medizinischer Wissenschaftler

Zur Person von John Siegel, nach dem diese Straße benannt wurde, war zunächst wenig bekannt. Es war nicht einmal klar, ob dieser Dr. John Siegel überhaupt der Namensgeber für diese Straße im Mühlenbecker Viertel in Bergfelde ist. Besonders zu seiner Kindheit und Jugendzeit sowie zu seinen Familienverhältnissen fehlt das Faktenwissen. Was über sein späteres Leben und über seine wissenschaftlichen Leistungen herausgefunden wurde, lässt aber doch aufhorchen.

Geboren wurde er im Dezember 1861 in der Hansestadt Stade – heute Kreisstadt in Niedersachsen. Er studierte in Freiburg, Halle und München zuerst Philosophie, um sich dann in Berlin hauptsächlich der Medizin zuzuwenden. Bereits mit seiner Dissertation über Lungenkrebs, die von der Fakultät mit summa cum laude bewertet wurde, machte er in den Fachkreisen auf sich aufmerksam. Als Arzt war er zunächst in der Kleinstadt Otterndorf (Unterelbe, Landkreis Cuxhaven) tätig, wo er, schon mit dem Ehrentitel „Sanitätsrat“ ausgezeichnet, bis in das Jahr 1888 in der dortigen Bahnhofstraße lebte.

Um die Jahrhundertwende führte ihn sein Forscherdrang nach Berlin. Er ließ sich als Dr. med. zunächst in Britz bei Berlin nieder. In den Berliner Adressbüchern ist er dann fortlaufend bis in das erste Jahrzehnt des neuen Jahrhunderts als Dr. med. Arzt und später als Dr. med. Arzt f. Harn- u. Geschlechtskrankheiten aufgeführt, unter anderem 1901 – 1903 Berlin W 50, Fürther Straße 6-7.

Erste wissenschaftliche Versuche

Besonders Ende des 19. Jahrhunderts breitete sich die Maul- und Klauenseuche (MKS) auf den bäuerlichen Höfen in Deutschland aus, an der viele Tiere starben und die gelegentlich auch auf Menschen übergriff. Neben anderen Ärzten wandte sich Dr. Siegel der Erforschung dieser schrecklichen Krankheit zu. Bakteriologische Untersuchungen führten zunächst zu keinem Resultat, auch dann nicht, als Siegel in Halle im hygienischen Institut Professor Fränkels die Untersuchungen fortzusetzte. Es stellte sich nur heraus, daß auf dem Wege der gewöhnlichen bakteriologischen Untersuchungsmethoden nichts zu erreichen war. 1898 gelangen es Friedrich Loeffler und Paul Frosch das erste Serum gegen die MSK herzustellen. John Siegel beschloss in Berlin im zoologischen Institut von Geheimrat F. A. Schulze, einem der Hauptbegründer der modernen Protozoenkunde, von neuem die Untersuchungen zu beginnen.

Erste wissenschaftliche Veröffentlichungen

Nachdem John Siegel sich in Berlin einer mehrjährigen allgemein zoologischen und histologischen Ausbildung unterzogen hatte, begann er eine Forschungsarbeit über Schildkrötenmalaria, die zu sehr achtenswerten Resultaten führte. Es gelang zum ersten Mal nachzuweisen, dass nicht nur Gliedertiere (Mücken, usw.) Überträger und Zwischenwirte für Malaria abgeben, sondern auch große blutsaugende Würmer (Egel). Nach dieser ersten Veröffentlichung stellte 1905 die preußische Akademie der Wissenschaft Dr. Siegel ein größeres Stipendium zu einer Reise nach Südrußland zur Verfügung.“ Und auch Stiftungen unterstützen ihm weiterhin bei seiner Forschungsarbeit über viele Jahre: „... aus der kürzlich begründeten Adolph Salomonsohn-Stiftung sind dem praktischen Arzt Dr. John Siegel in Berlin zur Förderung seiner Untersuchungen über die Ursache und anderer Krankheiten 2000 M zugeteilt worden.“
An Kongressen für Hygiene und Demographie in Deutschland nimmt Dr. John Siegel regelmäßig teil, um sein Wissen zu stärken und zu fördern, wie die Mitgliederlisten zeigen.
Seine Forschungsergebnisse (1905 – 1931), so z.B. Untersuchungen über Haemogregarina stepanovi [Parasit der roten Blutkörperchen], Untersuchungen über die Ätiologie der Pocken und Maul- und Klauenseuche. (Mit 2 Tafeln), Untersuchungen über die Ätiologie des Scharlachs und zur Syphilis gab er als Artikel und Inserate in verschiedenen Fachzeitschriften weiter oder ließ sie als gebundene Werke veröffentlichten.

Sesshaftwerden in Bergfelde?

Bis 1913 steht Dr. John Siegel im Berliner Adressbuch, zuletzt als prakt. Arzt f. Harn- u. Geschlechtskrankheiten unter W 8 (Mitte), Kanonierstraße44. Ab 1914 wird er in den dortigen Adressbüchern nicht mehr geführt. Nun wünschte er anscheinend auch einen Ruhepol für sich (und vielleicht auch Familie?). Schon 1910 erwarb er in Bergfelde mehrere nebeneinander liegende Grundstücke im Mühlenbecker Viertel an der damaligen Straße 25, eingetragen in den Bergfelder Adressbüchern ab 1911 als Parzellenbesitzer. Zunächst wollte er für sich ein Sommerhäuschen bauen lassen. Die Bauakten zeigen hierüber jedoch kein positives Ergebnis. Über Jahre lag John Siegel mit der Ansiedlungs- und Baugesellschaft, vertreten durch Carl Winkler im Streit, denn das Mühlenbecker Viertel war zu diesem Zeitpunkt noch nicht als „ausbaufähig“ ausgewiesen. Das gesamte Baugenehmigungsverfahren zieht sich über Jahre hin. Auch 1913 war die „Zulassung von Bauten an der Straße“ bis auf Weiteres nicht erlaubt, so in einem Schreiben.

Schlussbetrachtung zur Straßenbennung

„ wie wir mitgeteilt haben, sind dieser Tage beim Reichsgesundheitsrat in einer außerordentlichen Sitzung Demonstrationen über die Entdeckungen des Dr. John Siegel über die ’Entstehung der Syphilis und einiger Hautkrankheiten’ vorgeführt worden. Die Versuche über die Siegelschen Funde (MKS) sind noch nicht abgeschlossen; aber daß die Entdeckungen nicht bedeutungslos sind, steht schon heute fest, und so wendet sich der Person des jungen Entdeckers die allgemeine Aufmerksamkeit zu, so stand es bemerkenswert um die Wende zum 20. Jahrhundert in mehreren Berichten über die Forschung von Dr. John Siegel.

Auch den Bergfelder Bauern war die Maul- und Klauenseuche stark in Erinnerung geblieben, denn auch in ihrem Viehbestand gab es Verluste. Die Bauern und die Gemeindevertreter sahen Dr. John Siegel als einen Menschen, der durch seine wissenschaftliche Arbeit an dem Übel der Seuche forschte. Dieses Menschen, der zudem in Bergfelde sesshaft werden wollte, sollte mit einem Straßennamen gedacht werden. Die Straße 25 erhielt dann im Zuge der fortgeschrittenen Ansiedlung in Bergfelde den Namen Siegelstraße.

Nachtrag
Erst 1938 wird es den Wissenschaftlern gelingen, einen wirksamen Impfstoff gegen die Tierseuche (MKS) zu entwickeln. John Siegel tritt zu dieser Zeit nicht mehr in Erscheinung.

Wer mehr wissen will: geschichtskreis@kulturkreis-hn.de