Wildbergplatz
Gustav Wildberg (11.03.1868 – 27.12.1946) Hohen Neuendorfer Gemeindevorsteher von 1902 bis 1920
Am 5. Dezember 1901 starb der Hohen Neuendorfer Gemeindevorsteher Johann Siering 61-jährig. Sechs Wochen später, am 22. Januar 1902, wurde sein Stiefsohn Gustav Wildberg sein Nachfolger im Amte. Da war er noch nicht 34 Jahre alt.
Er mußte gleich voll ins Geschäft - der Rohbau des neuen Schulhauses in der Berliner Straße war gerade fertig geworden, und sein Ausbau war zu beaufsichtigen. Es ging flott voran; denn schon am am 3. April 1902 ist feierliche Einweihung des in Zeitungsberichten als mustergültig bezeichneten Baus – erster Bauabschnitt, der zweite mit Turnhalle folgt 1909.
Gleichzeitig werden die Befürworter des Baus einer Kirche in Hohen Neuendorf aktiv und fassen dieses Vorhaben sehr konkret an: Sie gründen im März den Kirchbauverein, Wildberg wird Vorstandsmitglied. Sicher nicht ohne sein Zutun unterstützt die „politische Gemeinde“ die Kirchengemeinde mit einem Beitrag von 20.000 Mark zu den Baukosten der Kirche. Gustav Wildberg brachte der Einsatz für den Kirchbau, als bei der Einweihung im Februar 1909 Orden verteilt wurden, das Kreuz des Allgemeinen Ehrenzeichens ein. Sein ganz persönlicher Beitrag für die Kirche ist an einem Fenster zu sehen: Unter der Glasmalerei des Sämanns kann man lesen: „Stiftung d. Gemeindevorstehers Wildberg“.
Die Fertigstellung der Schule und der Bau der evangelischen Kirche sind allerdings nur zwei der großen Veränderungen, die es in Wildbergs Amtszeit gab. Aufschlüsse zur gesamten Entwicklung des Ortes in dieser Zeit geben die Haushaltspläne von Hohen Neuendorf für 1902 und 1912. Die zehn Jahre dazwischen waren sozusagen die „Kernjahre“ der Tätigkeit von Gustav Wildberg. Sie sind durch enormes Wachstum des Ortes gekennzeichnet. Die Einwohnerzahl stieg von 1174 auf 3120, also auf reichlich das 2 ½ fache. Ein Vergleich der Haushalte zeigt deutlich, was sich außer der Einwohnerzahl in diesen Jahren veränderte. Der „Voranschlag der Gemeinde Hohen Neuendorf im Kreise Niederbarnim für das Rechnungsjahr 1902“ umfasst 9 handgeschriebene Seiten, der „Haushaltsetat der Gemeinde Hohen Neuendorf für das Rechnungsjahr 1912“ ist gedruckt und hat 82 Seiten. Das Vermögen der Gemeinde betrug 1902 74.638,49 M, 1912 hingegen 897.404,76 M und hat sich also verzwölffacht. An gemeindeeigenen Bauten gab es 1902 nur die Schule und zwei Spritzenhäuser, 1912 hingegen eine ganze Reihe von Bauwerken und Grundstücken, zu denen das Gaswerk, zwei Schulen, die Turnhalle, das Grundstück für das Wasserwerk, die gepflasterten Straßen und die Ablage an der Havel gehören. In diesen 10 Jahren erhielt Hohen Neuendorf etwas, was wir heute eine zeitgemäße Infrastruktur nennen würden. Es gab einen weiteren Modernisierungsschub. Bahn, Post und Telegraph sowie viele neue Wohnhäuser waren schon vorher da. Das Leben, die Lebensbedingungen der Einwohner veränderten sich aber gerade zwischen 1902 und 1914 durch die angeführten Neuerungen entscheidend. So trat an die Stelle der Petroleumlampe das Gaslicht.
Am Ende dieser Reihe steht die Versorgung mit Trinkwasser. Seit dem 9. Mai 1914 gibt es in Hohen Neuendorf ein eigenes Wasserwerk. Wasserwerk und Wasserturm und viele Leitungsrohre waren an diesem Tage bereit, so dass die Wasserversorgung vom Hohen Neuendorfer Wasserwerk aus in den regulären Betrieb gehen konnte.
18 Jahre lang war Gustav Wildberg Gemeindevorsteher - keiner seiner Nachfolger an der Spitze der Gemeinde erreichte eine so lange Dienstzeit. Er zog sich zurück, nachdem der Krieg verloren, der Kaiser gestürzt und die Republik gegründet war, in den ersten Monaten des Jahres 1920. Danach lebte er noch fast 27 Jahre in Hohen Neuendorf. Wildbergs haben die Landwirtschaft weiter betrieben und z.B. in den 30er Jahren Milch direkt vom Hof verkauft. In den 1920er Jahren war Gustav Wildberg Kirchenältester. Er starb im Alter von 78 Jahren, wurde aufgebahrt in der Kirche vor dem Altar. Pfarrer Hugo Rosenau hielt den Trauergottesdienst. Eine große Trauergemeinde, zu der auch sein Amtsnachfolger Bürgermeister Walter Pott gehörte, nahm Abschied von ihm und geleitete den Sarg durch den Ort bis zum Friedhof.
Wer mehr wissen will: Informationen beim Geschichtskreis im Kulturkreis Hohen Neuendorf e.V.