Wilhelm-Külz-Straße
Friedrich Leopold Wilhelm Külz (18.02.1875 – 10.04.1948) Jurist, liberaler Politiker, Reichstagsabgeordneter, Reichsminister, Oberbürgermeister von Dresden, Gründungsvorsitzender der LDPD
Mit der Wilhelm-Külz-Straße wurde ein Mann geehrt, der beim Aufbau der neuen staatlichen Ordnung in der damaligen sowjetisch besetzten Zone eine herausragende Rolle spielte. Seine Biografie kommt einem Abriss der jüngsten deutschen Geschichte gleich. Monarchie war ihm eine Herzenssache, Kaiser Wilhelm II. zeichnete ihn mit dem Roten Adlerorden aus. Deutsch- Südwestafrika, das heutige Namibia, war für ihn »schlechthin deutsches Land«. Die Nazis trieben ihn aus dem Amt des Dresdner Oberbürgermeisters, Theodor Heuss schrieb ihm einen ehrenden Nachruf und Wilhelm Pieck stand an seinem Grab (in West-Berlin). Daten, die so gar nicht zueinander passen wollen. Wer war dieser Mann, zu dessen Leben sie gehören?
Als Dr. Wilhelm Külz am 10. April 1948 im Alter von 73 Jahren starb, verlor die damalige Liberal-Demokratische Partei Deutschlands (LDPD) in der Sowjetischen Besatzungszone ihren Vorsitzenden. Er hatte diese Partei mitbegründet und sie 1945 »im Sommer der Befreiung an die Seite der revolutionären Arbeiterbewegung geführt«. So Manfred Gerlach, sein späterer Nachfolger im Amt des Vorsitzenden. Doch bis dahin hatte Wilhelm Külz in seinem Leben einen großen Bogen des politischen Spektrums abgeschritten. Geboren wurde er am 18. Februar 1875 in Borna bei Leipzig als Sohn eines Pfarrers. Das Elternhaus war kaisertreu und die Kinder wurden ganz im Geiste der Monarchie erzogen. Nach dem Besuch der Fürstenschule in Grimma studierte Külz von 1894 an in Leipzig Rechtswissenschaften. In dieser Zeit fühlte er sich von Friedrich Naumann angezogen. 1897 begann er seinen Referendardienst am Amtsgericht in Leipzig. Schon während seines vom Militärdienst unterbrochenen Referendardienstes entschied er sich für den Verwaltungsdienst, zunächst in Leipzig, dann in Zittau. Während seiner Zeit in Zittau legte er das 2. Staatsexamen ab. Dann wurde er Polizeichef in Meerane (Sachsen) Von Meerane aus bewarb er sich 1904 erfolgreich nach Bückeburg, dem Residenzstädtchen des Fürstentums Schaumburg-Lippe, und wurde dort Bürgermeister, Oberbürgermeister, Landtagsabgeordneter und Landtagspräsident. Hier begegnet er Kaiser Wilhelm II. und findet dessen Wohlwollen. 1907 folgt er einer Aufforderung, als Reichskommissar nach Deutsch-Südwestafrika zu gehen, wo er ganz zum Verfechter des kolonialen Gedankens wird. Er lernt Walther Rathenau, den späteren Außenminister der Weimarer Republik, kennen und gewinnt dessen Unterstützung. 1908 kehrt er zurück nach Bückeburg und gründet die Südwestafrikanische Wollzüchterei GmbH, vier Jahre später gemeinsam mit anderen die Südwestafrikanische Bodenkreditgesellschaft. Er wird selbst zum Kolonialisten.
Von Bückeburg aus geht er die ersten Schritte in die Reichspolitik. Er kandidiert im 9. sächsischen Reichstagswahlkreis (Freiberg-Hainichen) für die Nationalliberalen für den Reichstag – erreicht zwar die Stichwahl, bleibt aber schließlich doch erfolglos. Doch sein Engagement für die Nationalliberalen hat Folgen, man nimmt es ihm in Bückeburg übel. Weil er sich im Schaumburg-Lippeschen Reichstagswahlkreis für einen Liberalen eingesetzt hatte, wird er nicht mehr zum Landtagspräsidenten gewählt. So verlässt er nach acht Jahren das Fürstentum und bewirbt sich 1912 – erfolgreich – um das Amt des Oberbürgermeisters von Zittau. Im dritten Wahlgang kann er den Kandidaten der Fortschrittlichen Volkspartei mit einer Stimme Mehrheit schlagen. Mit Beginn des Ersten Weltkriegs am 1. August 1914 eilt Wilhelm Külz als Hauptmann der Reserve »zu den Waffen«. Er verzichtet darauf, sich u.k. stellen zu lassen. 1915 erhält er vom 15. April bis 15. Juni Urlaub, um sein Amt als Oberbürgermeister ausüben zu können. Zur Monarchie steht er treu bis zum Ende. Deren Sturz erlebt er in Zittau, bleibt jedoch im Amt und führt die Geschäfte wie gewohnt. Die Deutsche Demokratische Partei (DDP) wird seine neue politische Heimat. Aus Einsicht in die Realitäten engagiert er sich für den Aufbau eines demokratischen Gemeinwesens und kandidiert zunächst erfolglos für die Nationalversammlung, rückt aber Ende Januar 1920 nach und wird ab Februar 1920 regelmäßig in den Reichstag gewählt, dem er bis 1932 angehört. Von 1920 bis 1933 ist er Landesvorsitzender seiner Partei in Sachsen. 1923 wird Külz Finanzdezernent und 2. Bürgermeister in Dresden.
Anfang 1926 tritt er als Innenminister in das zweite Kabinett des (parteilosen) Reichskanzlers Dr. Hans Luther ein, überlebt dessen Sturz und führt das Amt auch im neu gebildeten Kabinett von Wilhelm Marx (Zentrum). Als im Dezember 1926 auch Marx zurücktreten muss, verlässt Külz die Reichsregierung. Als deren Mitglied hatte er großen Anteil am Zustandekommen des Freundschaftsabkommens Deutschlands mit der Sowjetunion 1926. In der Folgezeit bekleidete er zum Teil wichtige Ämter, die ihn auch im internationalen Bereich bekannt machten. 1928 vertritt er das Deutsche Reich auf der Weltkonferenz des Roten Kreuzes in Den Haag, 1924 bis 1933 ist er neben dem Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer Mitglied des Vorstandes des Deutschen Städtetages. 1932 gehört er dem Reichswirtschaftsrat an. Er arbeitete als Reichskommissar für Ausstellungen in Düsseldorf und Dresden sowie als Präsident des vom Völkerbund gegründeten Welthilfsverbandes für Katastrophenfälle.
Am 9. Februar 1931 wählen die Dresdener Stadtverordneten Külz für sechs Jahre zum neuen Oberbürgermeister. Aber ihm bleiben in diesem Amt nur zwei Jahre. Rasch gerät er mit den Nazis aneinander. Er wagt es, sich über dessen Staatssekretär an den Reichspräsidenten Hindenburg zu wenden und diesen zu ersuchen, den Reichskanzler (das war Hitler!) zum Verzicht auf Gewaltakte zu veranlassen. Er erhält sogar Bescheid, dass der Reichspräsident seiner Eingabe stattgegeben habe. Den Terror hat dies nicht gestoppt. Anfang März 1933 verweigerte er der SA, die Hakenkreuzfahne am Rathaus zu hissen. Kurzerhand setzte ihn daraufhin der nationalsozialistische Reichskommissar für Sachsen ab. Zur Begründung hieß es, sein Verbleiben im Amt bedeute eine Gefährdung der Ruhe und Sicherheit in der Stadt Dresden. Zunächst versuchte er gegen seine Entlassung vorzugehen und wendete sich über Staatssekretär Meißner an den Reichspräsidenten.
Aber diesmal blieb er – wie zu erwarten – erfolglos. Külz war in der Weimarer Zeit durchaus überzeugt, die parlamentarische Demokratie sei in der Lage, das Terrorregime der Nazis abzuwehren. Er glaubte, dies gelinge am ehesten in den Gemeinden und machte daher Vorschläge, die kommunale Selbstverwaltung zu stärken. Durch eine Reform des Reiches, die vorsah, nur drei Reichsländer zu bilden, meinte er, den Nazis wichtige Positionen wieder entreißen zu können. Im Herbst 1934 besuchte ihn Konrad Adenauer, um ihn zum Umzug nach Rhöndorf zu überreden. Külz blieb – zunächst – in Dresden, wurde sogar für wenige Tage in Schutzhaft genommen, verlor alle seine übrigen Funktionen, auch die in der Wirtschaft, und verließ dann Ende März 1935 doch Dresden, um nach Berlin-Wilmersdorf zu seinem Sohn zu ziehen, wo er als Rechtsanwalt arbeitete. Hier fand er Gleichgesinnte, darunter auch Theodor Heuss. Zum Widerstand hatte er zwar Kontakt, konnte sich aber nicht zur Mitarbeit entschließen, da er überzeugt war, dass die Männer des Widerstandes die Beseitigung des Hitlersystems für leichter hielten, als sie tatsächlich war. Nach dem 20. Juli 1944 unterstütze er Carl Goerdeler, dem er kurzzeitig Unterschlupf gewährte.
In Berlin erwartet er das Kriegsende. An seinem 70. Geburtstag, am 18. Februar 1945, erreichten ihn die ersten Nachrichten vom Untergang Dresdens am 13/14. Februar. Damit sinkt auch seine Welt in Schutt und Asche. Aber er bleibt seinem Streben als Politiker treu.
Zusammen mit wenigen anderen Gleichgesinnten gründet er am 16. Juni 1945 in Berlin, in der Bayerischen Straße 5, die »Deutsche Demokratische Partei«, mit Bedacht eine nicht kommunistische Partei. Wenig später benannten die Gründer ihre Partei in Liberal-Demokratische Partei um. Rasch erkannte Külz, dass die Wiedervereinigung Deutschlands nicht gegen den Willen der Sowjetunion zu erreichen sein würde. Daher war er um ein auskömmliches Verhältnis zur sowjetischen Besatzungsmacht bemüht. Er gewann das Vertrauen der Sowjets und glaubte, die Repressalien durch seine guten Kontakte abmildern zu können. Sein politischer Kurs führt aber bald zu Reibungen mit seinen in West-Berlin und in den westlichen Besatzungszonen lebenden Parteifreunden. Auch in den eigenen Reihen bleibt sein Kurs nicht ohne Widerspruch. Als die SED Ende 1947 die Außenministerkonferenz der vier Siegermächte in London zum Anlass nahm, einen »Volkskongress für Einheit und gerechten Frieden« zu fordern, näherte sich die LDP unter Külz vorsichtig den Positionen der SED an. Der Kongress sollte eine Delegation der Deutschen zur Konferenz wählen und den Willen des Deutschen Volkes zur Einheit zum Ausdruck bringen. In der LDP sah man in diesem Kongress die letzte Chance, für einen gesamtdeutschen Staat. Külz hoffte, auch westdeutsche Politiker für seine Positionen gewinnen zu können. Er blieb ohne Erfolg wohl auch deshalb, weil er es versäumt hatte, sich im Vorfeld mit den westdeutschen Liberalen abzustimmen. Theodor Heuss verurteilte die Entscheidung der LDP. Damit zerbrach im Januar 1948 die nur zehn Monate währende gesamtdeutsche Parteiorganisation, die gemeinsam von Theodor Heuss und Wilhelm Külz geführt worden war. Külz musste erkennen, dass die LDP immer mehr an Bedeutung verlor, die Wiedervereinigung in die Ferne rückte, und die Führung der Besatzungsmacht entgegen ihren Zusicherungen die Bildung eines eigenen ostdeutschen Staates vorantrieb. Külz erwog seinen Rücktritt. Doch dazu kam es nicht mehr. Er starb am 10. April 1948 im Alter von 73 Jahren.
Bis nach 1945 hieß die Straße Kiefernallee. Heute trägt ihn nur noch der Teil nördlich des 1954 gebauten Eisenbahnringes. Die Umbenennung geschah vermutlich erst nach dem Tode von Wilhelm Külz. Der Straßenplan von Juli 1946 kennt seinen Namen noch nicht.
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